Taohs Herzschlag raste, schlug wild gegen seine Brust, als wollte es sich für eine bevorstehende Flucht bereit machen.
Was mochte nur geschehen sein, dass selbst sein Vater, der stets wie ein Fels in der Brandung stand, nun so verzweifelt und gebrochen klang?
»Hey, hey, schhh ... alles ist gut! Du bist sicher!«, flüsterte Zelia. Ihre Worte legten sich wie ein sanfter, aber fester Anker in das stürmische Meer der Emotionen, das ihren Haushalt erfasst hatte.
Doch diese beruhigenden Worte, so warm und voller Sorge gesprochen, fachten paradoxerweise das Feuer der Neugier, Verwirrung und der Angst in den Herzen der Brüder nur weiter an.
An wen waren diese Worte gerichtet?
Wovor sollte wer sicher sein?
Was hatte ihre Familie in einen solchen Aufruhr versetzt?
Welche unbekannte Gefahr lauerte so nahe, dass selbst die starken Mauern ihres Zuhauses und die Zuversicht ihrer Eltern nicht mehr ausreichten, um Sicherheit zu gewährleisten?
Diese Fragen wirbelten in Taohs Kopf, jede schwerer und drängender als die letzte.
Kamura und Taoh tauschten einen Blick, der tiefer und dunkler war als die Gewässer eines unergründlichen Sees. In ihren Augen lag ein Schweigen, das mehr aussagte als tausend Worte – ein stummes Einverständnis, dass die Zeit des Zögerns unwiderruflich vorbei war. Sie mussten Antworten finden. Mit einem tiefen, synchronen Atemzug rafften sie sich auf, bereit, den Schleier zu lüften, der die Wahrheit ihrer aktuellen Misere verbarg.
Sie tauschten einen letzten, bedeutungsvollen Blick und nickten einander Mut zu. Ihre Hände berührten gemeinsam den Türgriff, zögerlich und doch entschlossen, die Tür zu öffnen, die plötzlich eine bedrohliche Barriere zu ihrem eigenen Heim darstellte.
Als die Tür leise ins Schloss fiel, wurden sie von einer ungewöhnlichen Dunkelheit empfangen – selbst für die düsteren Verhältnisse von Naraka eine beklemmende Finsternis. Mit vorsichtigen Schritten bewegten sie sich durch den düsteren Flur und erreichten schließlich das Wohnzimmer. Dort saß ihr Vater, Eladan, einsam am Esstisch, nur vom flackernden Schein der Kerzen erhellt. Die tanzenden Flammen warfen gespenstische Schatten über sein Gesicht und webten ein Tuch der Hoffnungslosigkeit um ihn.
Als Eladan seinen Kopf hob und die beiden Brüder erblickte, leuchteten seine Augen glasig auf, als würden sie aus einem tiefen, tränenreichen Schlaf erwachen. Sie waren langsam, schwermütig und von einem traurigen Rot umrandet. Hatte er geweint?
Taoh spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, während eine Welle der Beklemmung ihn überrollte. Seine Knie wurden weich, obwohl sein Verstand ihn dazu drängte, die Ruhe zu bewahren, manifestierte sich die Anspannung in seiner gesamten Körperhaltung. Kamura, der den steifen Widerstand in Taohs Muskeln spürte, schloss unauffällig seine Hand fester um die seines Bruders, um ihm stützenden Halt zu geben.
Eladans Gesichtszüge waren ein offenes Buch des Kummers, durchzogen von den Schatten der Angst und stummer Enttäuschung. Die feuchten, klagenden Augen wurden lebendig, als er die beiden erblickte.
Seine Lippen zitterten schwach, ein stilles Ringen, die Last seines Herzens in Worte zu fassen, doch keine Silbe durchbrach die dichte Stille, die sich wie ein schweres Tuch über die drei Seelen legte. Die Luft zwischen ihnen war schwer, mit einer unheilvollen Schwere, einem brodelnden, unausgesprochenen Konflikt, der sich unsichtbar durch den Raum wob.
Ein kühler Hauch strich durch den Raum, ließ Taoh unwillkürlich frösteln. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Instinktiv trat er einen Schritt nach vorn, die Stirn in Falten gelegt, sein Blick fest auf Eladan gerichtet, eine Mischung aus Entschlossenheit und Unbehagen ausstrahlend. Jede Pore seines Körpers absorbierte die latente Spannung, füllte sein Innerstes mit dunklen Vorahnungen und Angst.
Die Zeit stand still, während die Atmosphäre zwischen den drei Familienmitgliedern schwelte, elektrisch aufgeladen, als könne jeder Funke die Spannung zum Entladen bringen.
»Meine geliebten Söhne«, durchbrach Eladan plötzlich die surreale Stille. Seine Stirn war von den Spuren des Lebens gezeichnet, ein stilles Zeugnis eines inneren Ringens, als suchte er nach Worten, die die menschliche Sprache kaum zu fassen vermochte.
»Es bleibt nicht viel Zeit«, hauchte er, ein Flüstern, das in der drückenden Stille fast erdrückend wirkte, als müsse er sich selbst zu diesem Geständnis zwingen.
»Meine geliebten Söhne ... Ich habe euch Schreckliches angetan«, gestand er mit einer Stimme, die brüchig klang, als würden die Worte unter der Last seines Bekenntnisses fast zerbrechen. Jedes Wort ein schwerer Stein, der ihm von der Seele fiel, während sich in seinen Augen ein Meer aus Reue und Schmerz spiegelte.
»Stets habe ich versucht, auf dem schmalen Grat des Richtigen zu wandeln. Ich lehrte euch, den Pfad des Lichts zu beschreiten, Krieger zu sein, die im Verborgenen kämpfen, in einem Krieg, der fernab des Lichts in den tiefsten Schatten ausgetragen wird.
Ich sprach zu euch von den Folgen jeder Entscheidung, von der Tragweite der Macht, die uns Menschen mit unserem freien Willen anvertraut wurde. Doch die Wahrheit und Kausalität dieser Wege entzieht sich oft unserem Verstand, verborgen hinter einem Schleier, der nur selten gelüftet werden kann ...
Und heute, in dieser Stunde, fordert dieser Pfad seinen Tribut ...«, sprach er, Worte, die in der Luft zu hängen schienen, während in den Augen seiner Söhne ein Aufblitzen von Verständnislosigkeit zu erkennen war, ein Leuchten, das die tiefe Kluft zwischen Erkenntnis und Unwissenheit offenbarte.
Eladans Hände zitterten unmerklich, als müsste er sie mit aller Kraft unter Kontrolle halten, da sie verleitet sein könnten, die Worte in seinem Mund zu versiegeln, bevor sie nach außen treten konnten. Jeder Atemzug war ein Kampf gegen die Dünnheit der bedrückenden Atmosphäre. Er hob mühsam den Blick, seine Augen glänzten feucht im spärlichen Kerzenschein, als er auf das unausgesprochene Einverständnis seiner Söhne traf.
»Das ist jetzt aber selbst für dich etwas nebulös, Aba«, sagte Kamura mit zittriger Stimme, während sein Lächeln, so gezwungen und brüchig es auch sein mochte, versuchte, ein Licht in die Dunkelheit zu werfen, wie er es so oft in seinem Leben getan hatte.
Doch die Schwere des Augenblicks lastete wie ein dichter Schleier in der Luft und ließ sich nicht vertreiben. Jeder versank tiefer und tiefer in Verzweiflung und Ungeborgenheit, während die bange Frage in der Luft lag, welch schwerwiegende Offenbarung sie erwarten mochten.
Eladan hob seinen Blick, aufrichtig und doch gebrochen, als er sich darauf vorbereitete, das Unaussprechliche auszusprechen.
Sein Blick ruhte schwer auf seinen Söhnen, während er tief durchatmete und all seine inneren Kräfte mobilisierte. Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren, als er sich darauf vorbereitete, die unwiderrufliche Realität vor seinen geliebten Söhnen zu enthüllen.
Er öffnete seine Lippen. Behutsam abwägend. Dann sprudelte es schmerzvoll heraus.
Schweigend senkten die beiden ihre Köpfe, unfähig, die folgenden Worte zu ertragen. Die Kerzenflammen flackerten scheinbar im Takt ihres gebrochenen Herzschlags und warfen düstere Schatten auf ihre Gesichter.
Ein eisiger Schauer überlief ihre Körper, als die verstörenden Worte ihres Vaters langsam in ihr Bewusstsein drangen. Die Erkenntnis drohte sie zu erdrücken, doch sie wussten, dass sie dieser Wahrheit nicht entkommen konnten.
Beide starrten wie benommen auf den Boden, ihre Augen von einem Schleier des Unverständnisses und der Ahnungslosigkeit umhüllt. Das Blut rauschte in ihren Ohren, bereit, jeden Moment vom Gewicht der Worte überwältigt zu werden, während die Zeit in diesem quälenden Stillstand verharrte.
Schließlich strömten die Tränen über ihre Gesichter, verschwimmend zu einem Quell der Trauer, während die Welt um sie herum in einem einzigen, undurchdringlichen Schleier des Schmerzes versank.
Jede Regung Eladans, jedes Zucken der Muskeln unter seiner blassen Haut zeichnete die Landkarte eines inneren Kampfes nach, den er eigentlich bereits verloren hatte. Taoh, überwältigt von dieser Welle der Emotion, spürte, wie sein Herz gegen die Brust schlug, als wollte es den Schmerz physisch aus seinem Körper treiben.
»Es tut mir ... so unendlich leid«, hauchte Eladan, seine Stimme gebrochen von der Last der Wahrheit. Es klang bereits so absolut. Als wäre Eladan bereits weit von ihnen entfernt.
Taohs Körper reagierte instinktiv auf diesen unausgesprochenen Ruf nach Nähe. Mit stolpernden Schritten, getrieben von einem tiefen, unerschütterlichen Bedürfnis nach Verbindung, eilte er auf seinen Vater zu.
Eladan jedoch, von einer Welle der Verzweiflung überwältigt, stieß Taoh verzweifelt von sich und sprang erschrocken vom Tisch auf. Seine Bewegung war so plötzlich, dass er dabei den Stuhl zu Boden schleuderte, wo er mit einem dröhnenden Knall aufschlug. Schreck und Angst ließen seine Muskeln zittern und bannten seine Stimme in einem eisigen Griff.
»Verstehst du denn nicht, Taoh!«, rief Eladan nun weinend aus, während er seine Ärmel hochkrempelte und das unfassbare Offenbarte:
Glühend rote pulsierende Adern durchzogen seine Haut wie feine Wurzeln, die sich in sein Fleisch gegraben hatten. Im Zentrum dieses grässlichen Anblicks ein eitriger Verband, der das Grauen und die Gewissheit eines unerbittlichen Schicksals symbolisierte. Sein schmerzverzerrtes Gesicht spiegelte die bedrückende Ahnung wider, dass er in seinem eigenen Leib gefangen war, während eine unheilvolle Krankheit ihn zerfraß.
»In nicht mal einem Tag wird von mir nur noch ein Klumpen Fleisch übrig sein!«, schrie er in einem Ausbruch der Verzweiflung. »Dass ich überhaupt hier sitze, um mich zu verabschieden, widerspricht jeglicher Vernunft. Wir wissen zu wenig über die Ausbreitung. Du darfst mich nicht berühren!«, flehte er, sein panischer Blick auf Taoh gerichtet, dessen Gesicht von Tränen gezeichnet war.
Die düsteren Schatten des Schmerzes, umtanzten die beiden, verdunkelten jeden Hoffnungsschimmer ihrer Beziehung. Die warmen, liebevollen Umarmungen, die sie einst geteilt hatten, waren bereits zu bloßen Schatten der Vergangenheit geworden.
Taohs Weinen füllte nun den Raum und hallte wider wie ein rauer, gebrochener Gesang der Verzweiflung und des Verlusts. Dieses weinende Kind war einsam und verloren am Wegesrand des Ungewissen, plötzlich beraubt der Sicherheit und des Trostes, den sein Vater einst verkörpert hatte. Die ganze Welt schien in dieser Klangkulisse des Schmerzes zusammenzubrechen, während die Tränen als stumme Zeugen der gebrochenen Bindungen zwischen Vater und Sohn auf den Boden tropften.
Kamura stand fassungslos wie angewurzelt da. Ungläubig schaute er ins Nichts, als Zelia durch den Tumult wieder zurück in den Raum fand. Unter Tränen packte sie Taoh, der sich unmittelbar an sie klammerte. Ihre Stimmen brachen in Schluchzer und Schluchzen, als sie versuchten, Worte auszusprechen.
Instinktiv hob Eladan die Hand, machte Satz auf sie zu, als könne er sie ein letztes Mal greifen, nur um dann wieder in seinem Stuhl zusammenzusinken. Gebrochen schaute Eladan, dem traurigen Schicksal, dass seine Familie erwarten würde, entgegen.
»Wie konntest du so leichtsinnig sein?«, warf Kamura vor, seine Stimme von Entsetzen und Zorn durchdrungen, während seine Augen feucht glänzten. »Es gibt keine Ghouls auf den Märkten! Wie zum blauen Teufel hast du das hinbekommen? Bist du etwa in die Höhlen gegangen? Hast du unser Versprechen vergessen, nach Atlans Tod nie wieder einen Fuß dorthin zu setzen? Hast du denn nichts gelernt?«, schrie er, während bereits leichte Vibrationen über den Boden waberten.
»Schluss, Kamura! Weißt du, was du da gerade tust?«, zischte Zelia, ihre Stimme erstickt von Tränen. »Was, wenn die Kymisten kommen und dich hören?«
Kamura konnte kaum seine Wut und Enttäuschung verbergen. Doch als er in Zelias Tränen gefüllte Augen blickte, begriff er, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Streit war. Es war ein Moment des Verlustes, der Trauer und des Abschieds. Ein Moment, in dem die Liebe und die Bindungen zwischen ihnen über allem standen.
Eladan brach schließlich sein Schweigen und begann erneut mit leiser Stimme:
»Du hast jedes Recht, enttäuscht zu sein, Kamura. Doch verstehst du nicht, dass es nicht so ist, wie du denkst? Die Ghouls waren nur wenige hundert Meter vom Markt außerhalb der Stadt. Dutzende von ihnen! Wir haben uns alle versteckt und beobachtet, was sie vorhatten. Es war schrecklich, Kamura. So etwas haben wir noch nie gesehen. Es wirkte alles so ... organisiert ... Sie hatten scheinbar eine große Gruppe unglücklicher Zu-Kur erwischt ... vielleicht auch Menschenhändler ... jedenfalls ... da bemerkte ich eine schwache Energiequelle inmitten der Kadaver. Ein Überlebender. Ein zartes Kind ... wir hatten keine Zeit zu verlieren. Jeder Moment hätte bedeutet, dass sie den Kleinen erwischen würden. Ich lenkte sie ab, während Ama sich hineinschlich und ihn ergriff. Doch ... wurde auch ich erwischt ...«
Mit einem selbstvergessenen Blick senkte er den Kopf, als ob alle Hoffnung von ihm abgefallen wäre. Tränen strömten unaufhaltsam über sein Gesicht, als er den Boden fixierte, als ob er die Haltlosigkeit seiner Lage dort unten entfliehen könne.
Eine tiefe Verzweiflung drückte Kamura auf den Brustkorb, als ob ein unsichtbares Gewicht ihn in die Tiefen zog. Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf, und das Gewicht einer unersättlichen Traurigkeit umklammerte jede Faser seines Körpers.
Angespannt atmete Eladan tief ein und sprach mit halb geflüsterten Worten:
»Inmitten all dieser Tumulte waren die Kontrollen an den Stadttoren nicht mehr durchsetzbar. Der Markt musste evakuiert werden. Massen von Menschen strömten in die Stadt. Normalerweise würde schon ein einzelner Ghoul, der sich verirrt, weit bevor er die Tore der Stadt erreicht, sterben. Aber dutzende? Hunderte?«
Seine Stimme nahm einen fast verwunderten Ton an, als könnte dieses Rätsel für einen Moment sein eigenes drohendes Schicksal in den Schatten stellen.
»Ich habe es erst bemerkt, als ich wieder zu Hause war, in all der Aufregung. Es gibt nichts, was wir unternehmen können. Jede Sekunde, die ich hier verbringe, stellt eine Gefahr für die Stadt dar. Ich hoffe nur, ich bin der Einzige. Sicherlich werden die Kontrollen zeitnah verschärft. Viele Zu-Kur mit schwarzen Seelen haben diese Gelegenheit genutzt, um sich in die Stadt zu schleichen ...«
Eladan, dessen Gesicht im schwachen Licht gezeichnet schien, offenbarte eine ruhige Resignation, die in starkem Kontrast zu der aufgewühlten See von Emotionen stand, die in seinen Augen brodelte.
»Geh zu Yaga! Sofort!«, forderte Kamura energisch, seine Stimme durchdrungen von einer dringenden Notwendigkeit. Sein Befehl durchschnitt die schwere Luft des Raumes, als sei es die einzige Handlung, die noch Sinn ergab in einer Welt, die am Rand des Abgrunds tanzte.
»Yaga kann nichts tun, das weißt du. Lasst uns diese letzten Momente nicht mit Angst und Sorge verschwenden«, erwiderte Eladan plötzlich mit einer Gelassenheit, die fast unnatürlich wirkte.
Doch Kamuras Stimme, die von kaum verhüllter Verzweiflung durchdrungen war, brach die Stille. »Wie kannst du es nicht einmal versuchen?«
»Es bleiben nur mir zwei Optionen, Kamura! Und die Zeit rennt!«, unterbrach Eladan ihn, seine Stimme jetzt fester und entschlossener, als er nach Fassung rang. Die Stärke seiner Worte überraschte selbst ihn, und rasch huschte ein reuevoller, entschuldigender Ausdruck über sein Gesicht.
Dann, überwältigt von einer plötzlichen Welle der Emotion, brach seine Stimme, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich möchte euch eigentlich nur sagen, wie sehr ich euch liebe!« Seine Worte hallten durch den Raum, getragen von einer Intensität, die jedes Herz zum Erzittern brachte.
»Deswegen bin ich gegen jede Vernunft noch hier. Lasst uns diese kostbaren Augenblicke nicht mit Streit vergeuden. Mir fällt das Sprechen schwer genug. Mein Herz ist so schwer, dass es die Worte beinahe mit in die Tiefe zieht, während ich alles gebe, meine letzten Atemzüge mit euch zu teilen.«
Die endgültige Schwere dieser Worte ließ Taohs Beine nachgeben. Er sank auf die Knie, von der Erkenntnis überwältigt, dass das Unvermeidliche bereits beschlossen war.
»Ich weigere mich, meine letzten Stunden in Wehklagen und Schmerz zu verbringen. Trotz des unausweichlichen Abschieds möchte ich euch erfüllt von Dankbarkeit begegnen. Denn über allem steht meine tiefe, unendliche Dankbarkeit. Ich war solch ein Glückspilz, euch zu haben. Von euch geliebt zu werden.
Lasst meine Worte das Echo einer Liebe sein, die niemals vergeht. Auch wenn ich gezwungen bin, euch zu verlassen, werden diese Worte in eurem Herzen ewig verbleiben. In diesen letzten Momenten ... denke ich an all das Glück, das ihr mir gebracht habt, und ich freue mich für euch. Ich freue mich auf die Abenteuer, die diese Welt für euch bereithält, auf die wundervollen Menschen, die euren Weg kreuzen werden!«
Eladans Stimme füllte den Raum, reich und voller Wärme, trotz der kühlen Schwere seiner Worte. »Dank euch war mein Leben reich. Und ich bereue nur, dass ich nicht länger an eurer Seite bleiben kann.«
Der Raum schien in der Schwere dieser Worte fast zu erzittern. Durch seine milchig-trüben Tränen sah Taoh die Welt verschwommen, fast wie in einem Traum gefangen, aus dem kein Erwachen möglich schien. Er fühlte sich fast erblindet, orientierte sich nur noch am Klang von Eladans Stimme, die nun entfernt und doch so schmerzhaft nah wirkte.
In einem verzweifelten Versuch, die Zeit anzuhalten, wandte er sich Hilfe suchend um – zuerst zu Kamura, der wie eine Statue der Resignation regungslos verharrte, dann zu seiner Mutter, deren Gesichtsausdruck eine Mischung aus Schmerz und Unverständnis war.
Es war, als würden sich die Figuren in einem stillen Ballett des Abschieds bewegen, in dem Taoh allein auf der Bühne zurückblieb. Die Erkenntnis, dass keine Hilfe zu erwarten war, dass das Schicksal unwiderruflich seinen Lauf nahm, ließ ihn erstarren.
Als er schließlich seine Augen schloss, durchzog eine kalte, tote Ruhe seinen Körper – eine Ruhe, die nicht von Frieden zeugte, sondern von der Akzeptanz eines unumkehrbaren Verlustes. Die Trauer nahm eine neue Tiefe an, eine Hoffnungslosigkeit, die weit über das hinausging, was ein Kind fühlen sollte. Seine Tränen kullerten nun nicht mehr über das Gesicht eines verlassenen Kindes, sondern vielmehr über das eines verbitterten alten Mannes.
Schließlich schoss es Taoh heraus:
»Sag ... Sag uns warum? Warum können wir nicht einfach eine glückliche Familie sein? Warum müsst ihr mich alle verlassen, für irgendwelche blöden Ausreden?
Atlan lässt mich allein, für irgendwelche Abenteuer.
Kamura will lieber frei sein, als mit uns ein sorgenfreies langes Leben zu führen ...
Wenigstens dir hatte ich geglaubt, dass du uns über alles lieb hast.
Und auch du verlässt uns, wegen eines halb toten Jungen?
Ich bin alt genug zu wissen, wie oft Kinder verschwinden. Es gibt bereits drei Kinder, die ich nie wieder gesehen habe. Ich weiß von den Kulten da draußen. Ich bin nicht blöd! Dieser eine Junge war es jetzt wert, uns allen für immer unser Glück zu nehmen?
Fällt es euch allen so schwer, ein einfaches, schönes Leben mit euren Liebsten zu verbringen?
Euer Handeln zeigt mir was anderes: Freiheit und Heldentum haben bei euch allen höheren Wert –«
»Jetzt reicht's aber, Taoh!« Zelias Stimme zischte durch die Anspannung des Raumes, eine abrupte Unterbrechung, die Taohs Flut an Vorwürfen kurz zum Stillstand brachte. Er hielt inne, sein Herz pochte schmerzhaft gegen die Brustwand.
»Wirst auch du mich zurücklassen, Ama?« Taohs Stimme brach, als er die Frage stellte. Sein Blick richtete sich an Zelia, die plötzlich in einem neuen, schmerzhaften Licht erschien.
»Ein rechtes Leben fordert von uns, dass wir Position beziehen, nicht nur für uns selbst, sondern für die, die keine Stimme haben, für die Schutzlosen. Ein einzelner Akt des Mutes kann wie ein Stein sein, der in einen stillen Teich geworfen wird. Die Kreise, die er zieht, erreichen Ufer, die wir nie zu sehen bekommen. Vielleicht wird die Rettung dieses einen Jungen nicht die Welt verändern, aber für ihn wird sie es. Und wenn wir alle für einen anderen einstehen, dann verändert sich die Welt, Stück für Stück.
Dunkelheit kann sich nur durch die Abwesenheit des Lichts ausbreiten. Es ist unmöglich, ein wenig Dunkelheit in einen hell erleuchteten Raum zu bringen. Es reicht jedoch eine kleine Kerze, um Licht ins Dunkle zu bringen. Dieses Licht darf nie erlischen. Es muss am Leben gehalten werden.«
Taohs Augen, gefüllt mit Tränen, suchten die seines Vaters, als dieser fortfuhr:
»Es schmerzt mich zutiefst, euch in solchem Leid zu sehen. Doch in dieser Dunkelheit möchte ich euch ein letztes Mal das Licht meiner Worte schenken, in der Hoffnung, dass es euch auf euren Wegen leiten möge.«
Die Ruhe in Eladans Stimme brach, als er weiter sprach, jeder Satz ein Bekenntnis, jede Silbe ein Echo der Liebe, die er fühlte.
»Du hast recht, Taoh, Freiheit und Courage haben einen hohen Wert in meinen Augen gehalten, aber nicht höher als die Liebe, die ich für euch empfinde. Jede Entscheidung, die ich getroffen habe, war durchtränkt von der Liebe zu euch und dem unerschütterlichen Glauben an das Gute in dieser Welt.«
Er pausierte kurz, als müsse er die Kraft finden, weiterzusprechen.
»Es mag euch wie eine Ausrede erscheinen, doch in der Tat ist es die Essenz meines Seins. In dem Moment, in dem ich solches Leid in Passivität betrachten würde, in eben jenem Moment würde ich den wahrhaftigen Tod finden.« Eladan blickte in diese Runde der gebrochenen Seelen, suchend nach Verständnis in ihren Augen. Doch er fand nur Schmerz. Unbeirrt fuhr er fort:
»Diesen kleinen schutzlosen Jungen zu retten, auch auf Kosten des eigenen Glücks, ist keine Entscheidung gegen euch. Es ist eine Entscheidung für die Welt, die ich euch hinterlassen möchte – eine Welt, in der Mut und Güte nicht nur Worte sind, sondern die Fundamente, auf denen unsere Gesellschaft ruht. Ich hinterlasse euch ein Erbe, das über materiellen Besitz hinausgeht; ein Erbe der Menschlichkeit, der Selbstlosigkeit und der unerschütterlichen Hoffnung.«
Seine Augen funkelten vor Tränen, während er fortfuhr.
»Wir können nicht kontrollieren, wohin das Schicksal uns führt, aber wir können entscheiden, wie wir auf die Rufe des Schicksals antworten. Mein Herz bricht bei dem Gedanken, euch zu verlassen, doch es tröstet mich zu wissen, dass ihr die Stärke habt, weiterzumachen. Ihr seid meine Söhne, mein Stolz, und in euch lebt eben jene Flamme, die die Dunkelheit erhellt. Diese Flamme wird niemals erlöschen; sie wird heller brennen in jeder Tat der Güte und des Mutes, die ihr vollbringt.«
Eladan trat näher, seine Präsenz füllte den Raum mit einer Wärme, die in scharfem Kontrast zu seiner körperlichen Schwäche stand. »Mein Abschied ist nicht das Ende unserer Geschichte. Es ist der Beginn eines neuen Kapitels in eurem Leben, ein Kapitel, das ihr mit Mut, Liebe und der unerschütterlichen Hoffnung schreiben werdet, die ich euch vermacht habe. Erinnert euch an mich, nicht mit Trauer, sondern mit der Gewissheit, dass unsere Verbindung über den Tod hinaus besteht. Ihr seid nie allein, denn meine Liebe begleitet euch, wohin auch immer eure Wege euch führen mögen.«
Mit einem letzten Blick voller Liebe und Stolz flüsterte Eladan:
»Lebt wohl, meine Söhne. Seid mutig, seid gütig, und vor allem, seid das Licht in der Dunkelheit. Ich liebe euch, jetzt und für immer.«
Mit diesen Worten, gefüllt mit einer solch tiefen Liebe und Hoffnung, schritt er bestimmt Richtung Ausgang und hinterließ eine Spur der Stille, durch die seine letzten Worte in ihren Herzen nachhallten.
Er wandte sich nun Zelia zu, seine Augen suchten die ihren in einem stillen, verzweifelten Flehen nach nur einem weiteren Moment der Verbindung, als wollten sie sich in einer Ewigkeit außerhalb der Zeit verlieren. Langsam streckte er seine Hände aus, zögerte jedoch schmerzhaft, als er sich der grausamen Realität ihrer Trennung bewusst wurde. Die Zeit der Nähe, der Berührung, war inzwischen nichts mehr als eine herzzerreißende Erinnerung. Symbolisch hielt er seine Hand über der ihren, eine Geste, die so viel bedeuten sollte, doch nichts ändern konnte.
»Mein Herz. Wie soll ich beginnen, Abschied von der Quelle meines Lichts zu nehmen? Unsere Seelen haben sich einst gefunden, in einer Welt, die so oft von Dunkelheit umhüllt ist, und in deiner Liebe fand ich den Mut, gegen alle Schatten zu kämpfen.
Du warst meine Hoffnung in der Verzweiflung, mein Lächeln in der Traurigkeit. Du hast mein Leben mit einem Glanz erfüllt, der selbst die dunkelsten Ecken meines Herzens erleuchtet hat.«
Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, ein bittersüßer Hauch von Vergangenem, als er weiter sprach.
»Erinnerst du dich an das Versprechen, das wir uns an den Quellen gaben? 'In jeder Welt, in jedem Leben, finde ich dich.' Dieses Versprechen halte ich auch jetzt, im Angesicht des Abschieds. Unsere Seelen sind miteinander verwoben, unzertrennlich, selbst durch den Schleier des Todes.«
Tränen begannen, seine Worte zu ertränken, seine Stimme zu brechen, aber er fuhr fort, jede Silbe ein Echo der Zuneigung, die er für sie empfand.
»Ich verlasse diese Welt mit einem gebrochenen Herzen, weil ich dich zurücklassen muss. Doch auch in meiner tiefsten Verzweiflung finde ich Trost in dem Wissen, dass unsere Liebe das Unmögliche möglich gemacht hat. Und ich gehe voller Zuversicht. Dein flammendes Haar wird den beiden als ewiges Symbol des Lichts in der Dunkelheit dienen. Unübersehbar, wie auch ich es nicht übersehen konnte«, lächelte er sie an, schwelgend in Erinnerungen, die sich wie ein Meer vor ihnen auszubreiten schien und auch bei ihr ein kurzes schluchzendes Lächeln durch die Tränen brechen ließ.
Eladan hielt inne, sein Blick tief in dem ihren verankert, als wollte er ihre Essenz ein letztes Mal in sich aufnehmen, um sie für immer zu bewahren.
»Bitte, vergiss nie, wie sehr ich dich liebe. Unsere Zeit zusammen war das größte Geschenk, das mir das Leben je gemacht hat. Ich hinterlasse dir mein Herz, meine Liebe, alles, was ich bin. Mein letzter Gedanke wird dir gehören, mein letzter Atemzug, ein Flüstern deines Namens. Leb wohl, meine Geliebte, mein Herz. Du warst alles für mich.«
Mit einem letzten, langen Blick, der all die Liebe seines Lebens in sich trug, flüsterte Eladan.
»Lebe wohl, meine Geliebte. Trage unsere Liebe als Fackel in der Dunkelheit. Ich liebe dich, jetzt und für immer.«